Zugegeben: Das klingt erst einmal paradox.
Denn immer mehr Menschen setzen sich mit dem Sinn und ihrer Passion im (Arbeits-)Leben auseinander. Und oft sehnen sie sich danach, ihre Leidenschaften zum Beruf zu machen, um jeden Arbeitstag mit Begeisterung und Sinn zu füllen.
Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass dieser Ansatz nicht immer die beste Wahl ist.
Zunächst einmal ist es so, dass nicht alle Passionen dazu gemacht sind, dass man mit ihnen Geld verdient, um von ihnen zu leben. Viele Hobbys und Leidenschaften, die uns in unserer Freizeit Freude bereiten, können ihren Reiz verlieren, sobald sie zur Pflicht werden. Denn manche Leidenschaft verliert mit dem „Müssen“ ihren Reiz.
Wenn der Druck, den Lebensunterhalt damit zu bestreiten, hinzukommt, kann die einst so geliebte Aktivität zur Belastung werden. Dies kann dazu führen, dass die Freude und Begeisterung, die man ursprünglich empfand, nachlassen oder gar vollständig verschwinden.
Außerdem haben viele Menschen die Annahme, dass die Passion - auch im beruflichen Kontext - etwas bereits Bestehendes ist, dem man besser nur folgen müsse. Diese Sichtweise suggeriert, dass jeder von uns eine festgelegte, unveränderliche Berufung hat, die es lediglich zu entdecken gilt.
Doch das Leben und unsere Interessen sind dynamisch und verändern sich mit der Zeit. Passion und Purpose sind nicht statisch; sie entwickeln sich weiter und können in verschiedenen Lebensphasen unterschiedliche Formen annehmen. Beides ist etwas, das immer wieder aktiv (neu-)entdeckt und verprobt werden möchte. Und dies ist wichtig: gerade bei der beruflichen Orientierung und in Zeiten von beruflicher Veränderung.
Es geht darum, neugierig und offen zu bleiben, kontinuierlich nach neuen Möglichkeiten zu suchen und bereit zu sein, neue Wege zu erkunden:
Mit einer Haltung, die auch außerhalb des gewohnten Systems aktiv sucht und Herausforderungen als Teil der Reise sieht. Es bedeutet, flexibel zu sein und Veränderungen als Chancen zu betrachten, statt an starren Vorstellungen festzuhalten.
Bei der es nicht nur um Spaß geht, sondern vor allem um das, was einem bedeutsam erscheint. Die wahre Erfüllung kommt oft nicht nur durch angenehme Tätigkeiten, sondern durch solche, die uns tiefere Befriedigung und Sinn geben, selbst wenn sie manchmal anstrengend oder herausfordernd sind.
Und bei dem nicht die Planung, sondern das Ausprobieren und Testen von neuen Ideen und Interessen im Vordergrund steht. Anstatt langwierige Pläne zu schmieden, sollten wir mutig neue Dinge ausprobieren und aus unseren Erfahrungen lernen. Durch diese Experimente können wir herausfinden, was uns wirklich begeistert und erfüllt.
Bei der Karriereplanung also nur auf seine Passion setzen?
Es geht vielmehr darum, dass wir unseren bisherigen Interessen - auch im Prozess des Berufscoachings - nicht blind folgen, sondern offen bleiben für neue Ideen, die wir aktiv selbst suchen und ausprobieren. Diese Offenheit und Experimentierfreude ermöglichen es uns, unerwartete Leidenschaften und Talente zu entdecken, die uns sonst verborgen geblieben wären. Indem wir uns in kleinen Schritten und Experimenten immer wieder neu erfinden, können wir ein erfüllteres und vielfältigeres Berufsleben gestalten.
Diese iterative (schrittweise) Herangehensweise erlaubt es uns, flexibel auf Veränderungen zu reagieren und kontinuierlich zu wachsen. Sie hilft uns, uns nicht in festgefahrenen Bahnen zu verlieren, sondern immer wieder neue Perspektiven und Möglichkeiten zu erkunden.
Passt der Spruch „Seine Passion zum Beruf machen“ damit überhaupt noch?
Vielleicht sollten wir ihn überdenken. Denn es geht nicht darum, eine einzige, unveränderliche Leidenschaft zu finden und diese zum Mittelpunkt unseres beruflichen Lebens zu machen.
Sondern eher darum, eine Haltung der Neugier und Offenheit zu kultivieren, die es uns ermöglicht, unsere Leidenschaften und Interessen kontinuierlich zu entdecken und weiterzuentwickeln.
Auf diese Weise können wir ein Berufsleben gestalten, das nicht nur unseren aktuellen Leidenschaften entspricht, sondern uns auch in Zukunft erfüllt und inspiriert.
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